Oder Warum wir die Special Teams auf eine breitere Basis stellen müssen.
Ein Beitrag von Michael Daub.
Das Spiel American Football hat für jedes Team drei Aspekte. Die Offense, die Defense und die Special Teams. Die Teams der GFL haben in der Saison 2016 zusammen 28.050 Plays durchgeführt. Hiervon wurden durch die Special Teams 5.328 Plays gespielt. Das entspricht einem Anteil von ca. 19% aller Plays eines Spiels.
Allein dieser Spielanteil sollte die Bedeutung der Special Teams verdeutlichen.
Dennoch ist es so, dass in kaum einem Team 20% der Trainingszeit auf die Special Teams verwendet wird. Ebenfalls sucht man einen „echten“ Special Teams Coordinator mit annähernd gleichen Rechten und Pflichten zu den Offense und Defense Coordinatoren oft vergeblich. Ebenfalls wird oft über Jahre das gleiche gespielt um so wenig aufwand wie möglich zu haben. Special Teams Individuals über die des Kickers hinaus sind so gut wie nicht existent obwohl das ebenso wie in anderen Bereichen sinnvoll und notwendig ist.
Zu Beginn wollen wir kurz über den großen Teich schauen. Die derzeitige Entwicklung führt darauf zu, beim Kick Off den Return zu vermeiden und irgendwann gänzlich darauf zu verzichten. Begründet ist dies durch die hohe Anzahl von Gehirnerschütterungen und Verletzungen die in der Vergangenheit gerade in diesem Bereich vorkamen. Um dieses Ziel zu erreichen, kam es zu verschiedenen Regeländerungen Im Bereich der NCAA/NAIA und der NFL. Die auffälligste Regeländerung ist die Verlegung des Kick Off Punktes von der 30 Yards auf die 35 Yards. Damit verbunden die Anpassung des Startpunktes nach einem Touchback von der 20 Yard auf die 25 Yard Linie. Alleine diese Maßnahmen haben die Anzahl der Returns in der NFL und auch im College Bereich wesentlich reduziert.
Weiterhin wurde ein Anlauf im Kick Off Team, sowie das Bilden einer Wedge mit mehr als 3 Spielern verboten. Somit konnten größere Kollisionen gezielt vermindert werden.
Erfreulicherweise wurde zwar einhergehend mit der Reduzierung der Returns natürlich auch das Verletzungsrisiko stark minimiert, jedoch hat das Spiel so auch einen spannenden Aspekt verloren. Aktuell wird ein Kick Off in Übersee eher wie eine verlängerte Werbepause wahrgenommen und findet kaum Beachtung.
In Deutschland sieht das Ganze noch etwas anders aus. Hier wird zwar auch nach den aktuellen NCAA Regeln gespielt, was auch hier die Verletzungen bedingt reduziert hat, aber die Kicker schaffen es mangels Technik und Training in der Regel nicht, regelmäßig zum Touchback zu schießen.
Zur Verdeutlichung des dargestellten Sachverhalts einige Zahlen. In der NFL Saison 2016 wurden in der Regulär Season insgesamt 2.632 Kick Offs (ohne Onside Kick) geschossen. Hiervon werden 1.035, also nicht einmal 40% aller Kick Offs, zurück getragen[1]. Die 1.035 Returns beinhalten auch die Fair Catches.
Das heißt, in der NFL werden von 2.632 Kick Offs direkt 1.516 zu Touchbacks geschossen. Und zur Vervollständigung der Statistik landen 28 noch Out of Bounds.[2]
In der GFL Saison 2017 im Gegenzug wurden fast 75 % aller Kick Offs in irgendeiner Form retuniert. Dies ergibt sich aus einer Auswertung der GFL Statistiken.[3]
Anteil Kick Off Returns NFL vs. GFL
Kicks in der GFL werden im Schnitt ca. 56 Yards in der NFL fast 63 Yards weit geschossen. Hierzu muss man anmerken, dass in der GFL der höchste Schnitt 61 Yards und der niedrigste 48 Yards und in der NFL der höchste Schnitt 64,6 und der niedrigste (bei min 40 Kick Offs) 60 Yards beträgt.[4][5]
Der Aufnahmepunkt in der GFL liegt zwischen der eigenen 2 und 20 Yards Linie und in der NFL zwischen der eigenen Goalline und der 5 Yard Linie.
Allein aus der wesentlich höheren Anzahl an tatsächlichen Returns lässt sich schon feststellen, dass ein gutes Kick Off oder Kick Off Return Team, der Unterschied bei einem Spiel sein kann. Aber auch, dass ein Vergleich zwischen einem NFL und einem GFL Spiel obsolet ist und wir uns daher auf unseren eigenen Football konzentrieren müssen. Folgende Zahlen beziehen sich daher ausschließlich auf die GFL.
Ein Return in der GFL bringt einen durchschnittlichen Raumgewinn von 21 Yards ein. Hält man sich also vor Augen, dass der durchschnittliche Ball an der 9 Yard Linie vom Returner aufgenommen wird und dann 21 Yards Retuniert wird, befindet sich die Offense an der 30 Yard Linie. Das heißt, man hat im Gegensatz zu einen Touchback bereits 5 Yards gewonnen.
Die Startposition eines Drives hat wesentlichen Einfluss darauf, ob aus diesem Drive Punkte erzielt werden oder nicht.
Wie die Tabelle erläutert, ergeben sich allein aus der Verbesserung der Startfeldposition wesentlich höhere Wahrscheinlichkeiten zur Erzielung von Punkten.[6] Der Knick bei Drives die zwischen der 29 Yards bis 20 Yards in der gegnerischen Hälfte beginnen, erklärt sich durch die Trefferquote der Field Goals. Diese liegt über die gesamte Liga gesehen bei gerade einmal 60%[7]. In dieser Zone wird wesentlich mehr geschossen und verschossen.
Wahrscheinlichkeit von Punkten je Drive[8]
Schafft man es also als Kick Off Team, den Gegner so nahe wie möglich an dessen Endzone zu stoppen, sinkt die Wahrscheinlichkeit Punkte zu kassieren erheblich. Ebenfalls steigen die eigenen Chancen Punkte zu erzielen, da man nach einem Wechsel des Angriffsrechts tendenziell näher an der gegnerischen Endzone ist.
Das Ziel aus Sicht des Kick Off Teams ist daher, einen guten Return zu verhindern. Ein guter Return ist jeder Return der über die 30 Yard Linie hinaus geht, da dieser zum einen mehr Raumgewinn als ein Touchback erbracht hat und zum anderen bereits die Wahrscheinlichkeit von Punkten wesentlich erhöht hat.
Ein wesentlicher Teil ist der Kick selbst. Da dieser Teilbereich sehr umfangreich behandelt werden kann und sollte, soll hier nur kurz das wesentliche erwähnt werden. Es wird ein konstantes und genaues Kicking benötigt. Das heißt, ein ausreichend langer Kick dessen Richtung klar ist, ist unabdingbar.
„Don´t Kick Out the Coverage“ ist hier das mindeste, was ein Kick erreichen muss.
Um die geringe Trainingszeit effektiv zu nutzen, ist ein durchschlagendes und dennoch effizient Kick Off Team notwendig. Das nachfolgend vorgestellte Kick Off Schemes ist einfach für die Spieler gestaltet um die notwendige Trainingszeit hierfür zu reduzieren und die dadurch frei werdende Zeit in das Erlernen der notwendigen Techniken investiert werden kann. Insbesondere das Open Field Tackling sollte umfassend trainiert werden und kann durch alle Spieler auch in Offense und Defense Anwendung finden. Alle Spieler im Kick Off Team sollten gut darin ausgebildet sein um sich und auch den Gegner zu schützen.
Es gibt zwei etablierte Wege, die Spieler des Kick Off Teams zu benennen.
Man nummeriert auf jeder Seite von außen nach innen oder umgekehrt die Spieler von 1-5.
Man nummeriert die Spieler von einer Seite zur anderen durch.
Die zweite Variante hat den Vorteil, dass einzelne Spieler leichter zusätzliche Aufgaben zugewiesen werden können und auch Auswechselungen schneller vorgenommen werden können.
Im Kick- Off Team wird das Feld in verschiedene Zonen unterteilt:
Take Off Zone (-35 bis 45 Yards) Die Zone in der die Spieler in ihrer Lane Geschwindigkeit aufnehmen, Kontakt mit dem Gegner ist zu vermeiden.
Speed/Read Zone (45 – 30 Yards) Die Zone dienst dazu, mit der Geschwindigkeit den Abstand zum Ballträger zu reduzieren und sich an diesen zu orientieren, Kontakt ist weiterhin zu vermeiden.
Contact Zone (30 bis 0 Yards) In dieser Zone soll der Kontakt zum Returner erfolgen und der Tackle gesetzt werden.
Im Grundspielzug des Kick Off Teams sind vier Positionen vorhanden.
1. Kicker, 2 Folder, 3. Plugger und 4. Gunner.
Der Kicker versucht einen platzierten Schuss zu einer der vorher festgelegten Sidelines zu setzen. Dies erleichtert dem Kick Off Team Spielern die Orientierung und reduziert das freie Feld für den Returner. Ebenfalls muss der Returner durch den Schuss zu einer Sideline seine Position auf Höhe der Hash verlassen und den Ball aus der Bewegung heraus fangen.
Die wichtigste Aufgabe haben nach dem Kick die Plugger (GELB). Diese beiden Spieler sind dafür da, den Returner zu spiegeln und diesen zwischen sich zu halten und das Fenster in dem er sich bewegen kann immer mehr zu verkleinern. Wesentlich ist, dass die Plugger sich nie außen vom Returner schlagen lassen. Eine gute Geschwindigkleit, Übersicht und Spielintelligenz ist daher für diese anspruchsvolle Aufgabe notwendig.
Der Returner soll so in die Zange genommen und den Gunnern (Weinrot) in die Arme getrieben werden um frühzeitig den Tackle zu setzen.
Die Gunner versuchen an den Blockern vorbei zu kommen und sich ebenfalls zwischen den Pluggern zu halten. Der Abstand zwischen den einzelnen Gunnern wird, je näher man zum Returner kommt, ebenfalls verkleinert um im Idealfall, wie eine Wand vor dem Returner aufzutauchen.
Die Folder (ROT) sind die letzte Absicherung. Sie spiegeln ebenfalls die jeweilige Außenschulter des Returners aber mit etwas Abstand zur ersten Welle und sind, sollten die Gunner kein Tackle setzen können, die letzte Instanz vor dem Kicker um den Returner aufzuhalten. Daher sollten das sichere Tackler sein.
Der Schlüssel zum Erfolg ist die Geschwindigkeit im Kick Off Team. Wenn es möglich ist, nimmt man die Spieler, die bei einem idealen Kick mit guter Hangtime mit dem Ball nahezu gleichzeitig beim Returner ankommen würden. Der zeitliche Abstand zwischen der Aufnahme des Balls durch den Returner und das Eintreffen des Coverage Teams bei diesem ist wesentlich um einen Return zu verhindern. Je mehr Zeit der Returner hat, desto mehr Raumgewinn wird er erzielen können. Daher ist es wichtig, dass das Kick Off Team schnell zum Returner kommt und das auch möglichst als Einheit.
Es sei nochmal ausdrücklich erwähnt, dass die Aufgaben einfach gehalten sind, um der geringen Trainingszeit die hierauf verwendet wird, Rechnung zu tragen.
Grundausführung Kick Off Coverage
Wenn diese Aufgaben verstanden sind, kann man bedarfsorientiert Abwandlungen der Grundausführung vornehmen.
Gründe hierfür können im gegnerischen aber auch im eigenen Team liegen.
Ist der gegnerische Returner für das häufige droppen des Balls bekannt oder zeigt allgemein Unsicherheiten im Ballhandling oder auch bei gewollten kürzeren Kicks aufgrund von Lücken im Kick Off Return Team ist eine Anpassung der Grundausführung ratsam.
Aber auch wenn das gesamte Kick Off Team relativ langsam ist aber ein oder mehrere sehr schnelle Spieler vorhanden sind, kann man die Strategie anpassen.
In allen genannten Fällen kann man die Aufgabe des „Stingers“ einem oder mehreren Spielern zuordnen. Dieser sorgt für zusätzlichen Druck auf den Returner.
Der Stinger bleibt in der Take Off Zone nicht in seiner Lane sondern attackiert sofort den Punkt zu dem der Ball geschossen wird. Die Aufgabe ist in erster Linie, den Ball zu attackieren. Das heißt bei einem freien Ball ist dieser zu sichern. Wenn der Returner den Ball hat, dann ist nicht das Tackeln die erste Aufgabe sondern weiterhin der Ball. Der Stinger soll den Ball attackieren und im Idealfall einen Fumble produzieren. Um den Ballträger zu Fall zu bringen, kommen weitere Spieler plus Folder und Plugger nach. Im Beispiel folgen dem Stinger fünf Gunner, welche den Tackle setzten können.
Die benachbarten Spieler zum Stinger (hier # 5 und #7) müssen hierbei die aufgehende Lücke zwischen sich schließen um keinen Platz für den Returner zu bieten. Alle Spieler müssen hierzu bereits in der Read Zone enger zusammen kommen.
Stinger Variante Kick Off Team
Hat das gegnerischen Team einen besonders starken bzw. erfolgreichen Returner, so ist ein zusätzlicher sicherer Tackler, der Hawk, eine gute Variante. Die Aufgabe des Hawks ist die eines Safetys. Der Hawk spiegelt den Returner aus sicherer Entfernung. Er darf sich nicht durch das Kick Off Return Team blocken lassen und muss den Returner immer im Auge behalten. Schlägt dieser die Plugger oder bricht durch die Gunner so ist die Aufgabe einen sicheren Tackle zu setzen. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für einen guten Tackler.
Natürlich ist es auch hier möglich, mehrere Spieler mit der Aufgabe zu betrauen, aber wenn zu viele Spieler mit der Absicherung beschäftigt sind, ist der Druck auf den Returner zu gering und ein erfolgreicher Return sicher.
Hawk Variante Kick Off Team
Für den Erfolg der Special Teams ist es entscheidend, dass die Spieler, genau wie in der Offense und Defense auch, daran arbeiten können, ihre Aufgaben zu verinnerlichen und die notwendigen Techniken zu erlernen. Ebenso ist ein Scouting des Gegners unabdingbar um die eigene Strategie anzupassen.
Da die Aufgaben einfach gehalten sind, ist es möglich, mit wenig Aufwand gute Ergebnisse zu erzielen. Gerade das sollte zur Überlegung führen, in diesem Bereich mehr Trainingszeit zu investieren.
Take home Message
Special Teams sind enorm wichtig. Als Programmverantwortlicher liegt es in deiner Hand Trainer:innen hierzu freizuschaufeln und die Verantwortung zu übergeben. Neben der Befähigung muss dann die Zeit zur Verfügung gestellt werden und auch die Special Teams als Teil des Trainings regelmäßig stattfinden. Gerade in engen Spielen können die Special Teams einen Unterschied machen. Somit liegt es in unserer Hand das Maximum aus dieser Einheit herauszuholen.
Der Beitrag wurde von Michael Daub erstellt und für die GAFCA zur Verfügung gestellt. Michael Daub war in seiner aktiven Karriere GFL-Spieler und kann auf eine vielfältige Karriere als Trainer zurückblicken. Neben der GFL, GFLJ durfte er seine Erfahrung in der Nationalmannschaft machen. Seine praktische Erfahrung hat er mit allen Lizenzstufen des AFVD abschließen können.
Quellen [1]http://www.footballdb.com/stats/stats.html?lg=NFL&yr=2016&type=reg&mode=O&conf=&limit=100 [2]http://www.footballdb.com/stats/stats.html?lg=NFL&yr=2016&type=reg&mode=O&conf=&limit=100 [3] Stats.gfl.info [4] GFL Stats selbst ausgewertet [5] www.footballdb.com [6] Auswertung der Zahlen auf Stats.gfl.info GFL 2016 [7] Auswertung GFL Stats 2015/2016 [8] Auswertung GFL Stats 2017 stats.gfl.info
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